Auf den Spuren von Emil Hermann Nacke

Diese Serie soll an den Pionier der sächsischen Automobil­produktion Emil Hermann Nacke erinnern. Er lebte von 1843 bis 1933 und war zu seiner Zeit eine schillernde Berühmtheit und weit über seine Wirkungs­stätte hinaus bekannt. Heute ist der Name Emil Nacke jedoch zu Unrecht fast vergessen. Dabei reichen die Spuren seines Wirkens bis in unsere heutige Zeit ...

Teil 4: Spurensuche in Constappel und anderswo

Im neunzigsten Lebensjahr vollendete sich das schaffensreiche Leben einer außergewöhnlichen Unternehmer­persönlichkeit. Am 30. Mai 1933 starb Emil Hermann Nacke auf seiner Besitzung "Johannisberg".

Nicht zu deren Füßen auf dem kleinen Friedhof an der Johanneskapelle in Radebeul-Naundorf, was nahe liegend erscheint, sondern auf den seiner Wirkungs­stätte gegenüberliegenden Höhen, ließ sich Nacke beerdigen. Wollte er sein Lebenswerk auch weiterhin "im Blick" behalten? Seine letzte Ruhestätte können wir heute noch auf dem Friedhof an der Kirche von Constappel finden.

Nackes Grabstelle
Nackes Grabstelle auf dem Friedhof Constappel um 1960

Mit dem Tod Nackes hörte auch seine einst so stolze und weltweit erfolgreiche Automobil­fabrikation, bereits geschwächt durch die Welt­wirtschafts­krise, auf zu existieren. Die Ära der Nacke-Personen­wagen, Lastkraft­wagen für unterschiedlichste Nutzung, die bis nach Indien geliefert wurden, der Nacke-Omnibusse und auch die der Motor-Feuerspritzen, wovon eine 1923 sogar nach Porto (Portugal) exportiert wurde, war für immer zu Ende.

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Da Nacke unverheiratet und kinderlos starb, führte nach seinem Tod zunächst seine Schwester Clara die Firma E. Nacke weiter. Als sie 1937 verstarb, übernahm ihr Sohn Reinhold Toller die Betriebs­führung der inzwischen ganz auf die Produktion von Wasser- und Ölabscheidern, Zentrifugal- und Kolben­pumpen, Dampf­turbinen und Ventilen u. a. umgestellten Maschinen­fabrik. Bis zu ihrem Erlöschen im Handels­register am 19. Oktober 1948 erinnerte noch der Firmen­name "Maschinenfabrik E. Nacke“ an den Firmen­gründer. Die Spuren der Familien Toller und Steinbach (Reinhold Toller war mit Lisa geb. Steinbach verheiratet) verlieren sich offenbar in den Nachkriegswirren.

Mit der Firma E. Nacke scheint auch das Bewusstsein erloschen zu sein, dass Coswig die Wiege des Automobilbaus in Sachsen ist. Bereits 1902 musste August Horch bei der Verlagerung seiner Fabrik von Köln nach Reichenbach bei Zwickau neidlos anerkennen: "Ich hatte jedoch mit dieser Übersiedlung nicht, wie Herr Bauer hoffte, die Autoindustrie nach Sachsen gebracht. Ein Herr Nacke hatte schon in den Jahren 1900/1901 in Coswig einige Wagen gebaut, sonst wären in der Tat wir es gewesen, welche in Sachsen die ersten Autos bauten.“1

“Coswiga“-MotorwagenEin “Coswiga“-Motorwagen aus dem Jahre 1904 2

Auf der Suche nach Spuren eines sächsischen Automobil­pioniers darf natürlich ein Besuch im Dresdner Verkehrs­museum nicht fehlen. Noch muss man genau schauen, um die zwei Plakate zu Nackes Firma in den Ausstellungs­räumen zu entdecken. Doch Veränderung ist avisiert! Versöhnlicher fiel die Recherche in der Bibliothek des Verkehrs­museums aus. Vor allem aufwändig gestaltete Firmen­prospekte aus den Anfangs­jahren, Kataloge, Werbe­schriften und Preislisten bis zu immer wiederkehrenden Erwähnungen in zeitgenössischen Motor-Zeitschriften und einschlägigen Lexika, die eindrucksvoll Auskunft über Nackes Wirken geben, werden dort bewahrt. Auch in der neueren Automobil-Literatur ist die Firma Nacke präsent.

Wahrscheinlich ein Bruchteil des ehemaligen Firmen­archivs befindet sich im Sächsischen Haupt­staats­archiv Dresden, einer weiteren Station der Spuren­suche. Einem dort archivierten Typen­verzeichnis über gelieferte Nacke-Fahrzeuge der Jahre 1910 bis 1928 ist z.B. zu entnehmen, dass mehrere Coswiger Firmen und Privat­personen ihre Fahrzeuge bei Nacke kauften. Als einer der ersten ist Dr. Mittag aus Kötitz verzeichnet, der 1911 einen Personen­wagen kaufte. Lastwagen gingen den Einträgen zufolge 1921 an die Adler­brauerei Coswig und die Eisen­gießerei Richard Specht, 1922 an die Firma Schmidt und Hintzen, 1923 an das Eisenwerk Coswig, die heutige Walzen­gießerei und 1927 an die Firma Wiedemann. Ebenso sind Nackes Patent­anmeldungen im Ausland (1893 – 1930) u. a. überliefert.

Es wäre schön und wünschenswert, wenn all die vielen Sammler und Nacke-Interessierten, Enthusiasten und Oldtimer-Fans, Kenner der sächsischen Automobil­geschichte und auch ehemalige Arbeiter bei Nacke mit ihrem Wissen dazu beitragen würden, das Bild über die erste Automobil­fabrik auf sächsischem Boden und deren legendären Gründer Emil Hermann Nacke zu vervollständigen und abzurunden, damit sich eine erneute Suche nach seinen Spuren künftig erübrigt.

Mein besonderer Dank gilt den Mitarbeiterinnen der Fachbibliothek des Verkehrsmuseums Dresden.

Petra Hamann, Stadtarchiv

1 Horch, August: Ich baute Autos – Vom Schmiedelehrling zum Autoindustriellen. Schützen-Verlag, Berlin, 1937
2 Abbildung aus: Gränz, Kirchberg: Ahnen unserer Autos – Eine technikhistorische Dokumentation. transpress VEB Verlag für Verkehrswesen, Berlin 1975, 3. bearb. Aufl. 1980