Namen sind Schall und Rauch
Vierhufenstraße
Sie soll als letzter Problemfall einer Straßennamenvergabe in Coswig betrachtet werden.
In einer Akte mit Niederschriften zu Dienstbesprechungen des Bürgermeisters von 1963 erregte ein handgeschriebener, zweiseitiger Brief meine Aufmerksamkeit. Darin beschwerte sich ein Kötitzer Bürger beim Bürgermeister, dass er und andere heimatkundlich Interessierte bereits 1951 gegen die Umbenennung des seit Urzeiten als Vierruthenweg bekannten Weges in Vierhufenstraße öffentlich intervenierten, aber alle Argumente nichts fruchteten, jetzt aber die richtige Benennung gefordert wird.
Was war passiert? Am einstigen Feldweg, den jedes Kind in Kötitz als Vierruthenweg kannte, da er die Vierruthenstücke (alte Flurbezeichnung) durchschnitt, wurden um 1860 zwei einstöckige Häuser gebaut. So berichtete der Petent. Weiter schrieb er: "Offiziell, weiß der Teufel weshalb, hieß der Weg dann Gartenstraße.“ Mit der Eingemeindung von Kötitz im Jahr 1935 nach Coswig gab es nun zwei Gartenstraßen. Wahrscheinlich weil die Gartenstraße im ehemaligen Neucoswig ältere Rechte besaß, stand die Umbenennung der Kötitzer Gartenstraße an. Die Straße sollte einen bodenständigen Namen erhalten, was ja an sich sehr löblich ist. Man besann sich auf die alte Flurbezeichnung, schaute sicherheitshalber noch einmal in eine Flurkarte von 1925, las die Bezeichnung "4 Hufen“ und gab daraufhin dem Weg den Namen "Vierhufenstraße“ - und hatte sich geirrt! Bei der zu Rate gezogenen Karte handelte es sich offenbar um die handgezeichnete Flurkarte, die in "Unsere Heimat“ Nr. 17/18 von 1925 veröffentlicht wurde.
Karte von 1925
Offensichtlich hatte der Kartenzeichner die Flurbezeichnung aus einer älteren Karte von 1835, die uns nur in einer überarbeiteten Form von 1951 vorliegt, nicht korrekt übertragen. So wurden aus Ruthen Hufen.
Karte von 1835 - Bearbeitet nach dem Stande von 1835 von R. Zocher, 1951
Schreibweise der Flurnamen nach amtlichen Unterlagen
Warum damals nicht gleich von den "alten“ Kötitzern Einspruch gegen diese falsche Benennung eingelegt wurde, ist nicht bekannt. Auch die Akten geben darüber keine Auskunft. Um ganz sicher zu sein, wer nun falsch abgeschrieben hat, muss man die Bedeutung von "Hufe“ und "Ruthe“ kennen. Beides sind alte Maße. Hufe ist ein allgemeiner Begriff für bäuerlichen Grundbesitz, der von einer Familie bearbeitet werden und diese ernähren konnte. Je nach Bodenart und Geländebeschaffenheit konnte eine Hufe von Land zu Land und von Dorf zu Dorf sehr unterschiedlich groß sein.. Die sächsische Hufe wird mit 19,92 ha angegeben. Vier Hufen wären also ca. 80 ha. Das betreffende Flurstück ist aber wesentlich kleiner.
Ruthe oder auch Rute hingegen ist ein Längenmaß. Paul Schulze, der anerkannte Heimatforscher und langjährige Leiter des Coswiger Heimatmuseums, der in dieser Sache um Rat gefragt wurde, schrieb dazu am 20. Februar 1951: "...Die ... angenommene Vermutung, daß der Name auf einem Irrtum beruht, ist richtig. Nach den von mir daraufhin nochmals vorgenommenen Nachforschungen im Staats-Hauptarchiv ist der alte Flurname "Vierruthen“. Es gab daneben noch den Vierruthenhügel und die Vierruthentelle. Die Ruthe, althochdeutsch "ruota“, ist ein altes Feldmaß für Entfernungen und Ländereien von 100 – 180 Fuß. Eine Nachprüfung anhand der alten Flurkarten hat ergeben, dass die Fluren dort dieses Maß besaßen. ...Die Bitte, die Straße künftig "Vierruthenweg“ zu benennen, möchte ich bereitwillig unterstützen.“ - Ich auch!
Petra Hamann, Stadtarchiv