Gönner gaben Straßen Namen
Teil 2: Romerstraße
Viele Wege führen nach Rom, sagt der Volksmund, aber die Coswiger Romerstraße ganz gewiss nicht. Auch ist nicht überliefert, dass Römer hier in grauer Vorzeit Schlachten schlugen. Anwohner der Romerstraße bekommen aber mitunter Post mit der Anschrift "Römerstraße“. Selbst ein offizieller Plan des Amtsgerichtsbezirks der Stadt Kötzschenbroda von 1925, zu dem Coswig gehörte, verzeichnet in der Legende die Romerstraße als "Römerstraße“. Auf einer Akte des Bauarchivs von 1938 steht gar "Romeostraße“! Der heimatgeschichtlich interessierte Coswiger weiß natürlich längst, dass unsere Romerstraße nach dem verdienstvollen Gärtnereibesitzer Carl Sigismund Romer benannt wurde, dessen Gärtnerei an dieser Straße lag.
Das Meißner Tageblatt vom 4. Juli 1942 würdigte die Verdienste Carl Romers anläßlich seines 70. Geburtstages mit nebenstehendem Artikel:
Die Anfänge der Romerschen Gärtnerei reichen bis ins Jahr 1878 zurück. In diesem Jahr stellte der Handelsgärtner Julius Hermann Kuhrt den Antrag, an der "Dresden-Meißner-Chaussèe“ ein Wohngebäude mit Gärtnerei errichten zu dürfen. Von dessen Nachfolger, Gärtnereibesitzer Emil Fritsche, erwarb Carl Romer das Grundstück. Seit 1896 erweiterte er die Gärtnerei ständig. Mehrere Gewächshausneubauten entstanden und auch ein spezielles Pflanzenüberwinterungshaus. Außerdem kaufte Carl Romer das Land an der gegenüberliegenden Straßenseite zur gärtnerischen Nutzung, vorwiegend für Freilandkulturen. 1945 lautete die Gärtnereianschrift: Romerstraße 1-13.
In diesen Ausmaßen blieb die Gärtnerei, die nach seinem Tode 1949 von seiner Tochter geführt wurde und 1972 durch die GPG "Moorbeetkulturen“ übernommen wurde, bis zur "Wende“ bestehen. Heute ist das Gärtnereigelände mit einem Muster-Einfamilienhaus (etwa dort, wo Romers Wohnhaus stand), Mehrfamilienhäusern und einer Tankstelle bebaut.
Um zu den Anfängen der Romerstraße zu gelangen, müssen wir zum Jahr 1900 zurückgehen. Am 14.11.1900 baten Carl Romer und Emil Boden als einzige Anlieger der im Bebauungsplan von Coswig mit W.W. bezeichneten Straße den Gemeinderat, den Ausbau dieser Straße zu genehmigen. Der Gemeinderat erteilte die Genehmigung noch im gleichen Jahr. Das Land zum Straßenbau trat Romer kostenlos an die Gemeinde ab. Die Genehmigung der Königlichen Amtshauptmannschaft Meißen wurde jedoch an die Bedingung geknüpft, dass gleichzeitig mit dem Straßenbau die Beschleusung der Straße zu erfolgen hat. Dafür sollten die beiden Anlieger eine Kaution hinterlegen.
Auch wenn schon 1901 Steine für den Straßenbau angefahren worden sind, konnte mit dem Bau nicht begonnen werden, da es immer wieder Unstimmigkeiten mit der Amtshauptmannschaft gab. Im Januar 1904 bot Romer der Gemeinde an, die Straße auf seine Kosten ausbauen zu lassen. Außerdem waren die Anlieger bereit, die Schleusenkaution in geforderter Höhe (30 Mark für den laufenden Meter) zu hinterlegen.
Das Coswiger Tageblatt berichtete am 22. Februar 1906 über den Fortgang der Bauarbeiten und am 24. Juni 1906 über die erfolgte Abnahme der Straße mit zwei kurzen Meldungen:
Meldung vom 21./22. Februar 1906
Meldung vom 23./24. Juni 1906
Obwohl in der Zeitung bereits von der "sogenannten Romerstraße“ gesprochen wird, erfolgte die offizielle Benennung erst ein Jahr später. Der Wirtschaftsausschuss schlug in seiner Sitzung vom 12. April 1907 für die neue Straße die Namen Romer- oder Lindenstraße vor. Die Straße war schon damals von Linden gesäumt, die Romer auf eigene Kosten pflanzte. Der Gemeinderat entschied sich dann in seiner Sitzung am 16. April 1907 für den Namen "Romerstraße“ und ließ den Beschluss im Coswiger Tageblatt vom 21. April 1907 bekanntmachen.
Die endgültige Abnahme der fertiggestellten Straße durch den Wirtschaftsausschuss des Gemeinderates erfolgte dann am 1. Juli 1907.
Der Ausbau der Romerstraße zog weitere Bauwillige an. In den folgenden Jahren wurden mehrere repräsentative Wohnhäuser gebaut. Zwischen 1980 und 84 entstanden die Reihenhäuser. 1991 wurde die Romerstraße im Zuge der Straßenumbenennungen kurzerhand um die ehemalige Wald- bzw. Dr.-Kurt-Fischer-Straße verlängert.
Zum Glück blieb der Straßenname erhalten, denn sonst würde heute an dieser Straße nichts mehr an die einst weit über die Grenzen Deutschlands bekannte Gärtnerei Romer erinnern. Ebenso wie bei der Jaspisstraße wäre ein Zusatzschild zur Erklärung des Straßennamens und zur Erinnerung an den engagierten Gemeinderat, ehemaligen Ehrenbürger und Wohltäter von Coswig Carl Sigismund Romer wünschenswert.
Wer mehr über Romer und seine gärtnerischen Leistungen erfahren möchte, dem sei die Lektüre der Broschüre "Chronik der Landwirtschaft und des Gartenbaus“, Redaktion Karrasburg Museum Coswig 1999, bzw. ein Gang durch die Dauerausstellung des Museums empfohlen. Außerdem ist dort ein Besuch bei Herrn Romer persönlich möglich - seine Büste, die sich einst auf dem Gelände der Romerschen Gärtnerei befand, steht seit Eröffnung des Museums auf einer Stele in der Grünanlage vor der Karrasburg.
Petra Hamann, Stadtarchiv