Omnibus - automobile Fortbewegung für alle
100 Jahre Linienbusverkehr im Meißner Elbland
Einmal mehr waren es Emil Hermann Nackes innovative Ideen, die in unserer Region den Automobil-Omnibus-Verkehr nach Fahrplan Wirklichkeit werden ließen. Mit dem Bau der Strohstofffabrik 1884 in Kötitz wirkte der begnadete Ingenieur bereits als Pionier in der Strohstoffindustrie Deutschlands und 1900 baute er das erste Automobil in Sachsen, das er Coswiga nannte.
Vor 100 Jahren waren es Busse aus seiner Automobil- und Maschinenbaufabrik in Kötitz, die zu einem einwöchigen Probebetrieb Ende März 1912 übers Land fuhren. Haben sich auch das Aussehen der Busse, Fahrstrecken, -zeiten und –preise geändert, als Fortbewegungsmittel für alle haben sie bis heute ihre Daseinsberechtigung behalten.
Diese Erfolgsgeschichte war allerdings um 1900 noch nicht abzusehen. Über ein Jahrzehnt gab es Bemühungen der Stadt Meißen und den östlich gelegenen Gemeinden, eine direkte Verkehrsverbindung zu schaffen. Im Stadtarchiv sind mehrere Aktenbände der Gemeindeverwaltungen Sörnewitz und Brockwitz überliefert, die davon berichten. Ein extra dafür ins Leben gerufener Ausschuss mit Vertretern der Gemeinden Weinböhla, Niederau, Sörnewitz, Brockwitz, Spaar und der Stadt Meißen prüfte in alle Richtungen das Machbare. (Coswig mit der komfortablen Eisenbahnverbindung war zu dieser Zeit noch nicht beteiligt.) Ausschussmitglieder reisten nach Wurzen und Leipzig zur Erkundigung über Brauchbarkeit der Automobilbusse der dort betriebenen Buslinie, ein Ingenieur aus Dresden versuchte den Verantwortlichen seinen Akkumulatorentender (eine Art Elektrobus) für 10 Personen schmackhaft zu machen, mit dem er vielleicht heute den Durchbruch schaffen könnte. Mehrere Privatpersonen der interessierten Gemeinden zeichneten 1901 Anteilsscheine in Höhe von 25 bis 100 Mark für eine zu gründende Omnibusgesellschaft. Trotzdem scheiterten am Ende alle Projekte am Geld und der Ausschuss löste sich im März 1902 resigniert wieder auf, um sich 1909 erneut zu gründen.
In den folgenden Jahren forcierte man Pläne zur Verlängerung der Straßenbahn in verschiedenen Varianten nach bzw. von Meißen - ebenso ohne Erfolg. Erst eine Mitteilung der Königlichen Amtshauptmannschaft Meißen vom 1. Dezember 1911 an den Gemeinderat in Sörnewitz setzte ein Hoffnungszeichen: Der Kraftwagenfabrikant Emil Hermann Nacke in Kötitz beabsichtigt – zunächst 8 Tage auf Probe – einen fahrplanmäßigen Automobil-Omnibus-Verker zwischen den Ortschaften A. Meißen – Sörnewitz – Weinböhla und B. Meißen – Niederau – Weinböhla zu eröffnen. … Nacke erprobte bereits eine Autobuslinie von Freiberg nach Hainichen, der weitere folgen sollten.
Vom 24. bis 31 März 1912 jedoch konnte endlich die Premiere eines fahrplanmäßigen Probebetriebes mit Nacke-Autobussen im Meißner Elbland stattfinden. Zum Einsatz kam ein beheizbarer Omnibus mit 16 gepolsterten Sitzplätzen.
Wie dem Meißner Tageblatt danach zu entnehmen ist, war es ein erfolgreiches Unternehmen, begünstigt durch den in dieser Zeit veranstalteten Jahrmarkt in Meißen. So schreibt es am 26. März: … Der Beginn des achttägigen Probebetriebes der Ringfahrt Meißen-Niederau-Weinböhla-Sörnewitz-Meißen mittelst Nackes Automobil-Omnibus ließ sich recht gut an. Der Auto-Omnibus war meist nicht nur voll besetzt, sondern es mußten sich in seinem Innern auch noch Mitfahrer mit Stehplätzen begnügen, … .
Trotzdem stellte Nacke diese Strecke wegen Unrentabilität wieder ein.
1913 wurde Nacke ein zweites Mal gebeten, seine Busse auf gleicher Strecke wie 1912 fahren zu lassen. Eine GmbH zur Finanzierung der Buslinie sollte gegründet werden. Dieser Probebetrieb erfolgte dann auch recht zufriedenstellend über 30 Tage vom 20. April bis 19. Mai 1913. Nacke betrieb die Strecken wie 1912 und eine Rundfahrt Meißen-Weinböhla-Brockwitz-Sörnewitz-Meißen bis September. Solange galt seine Genehmigung.
Die Staatsregierung plante schon seit längerem die Einrichtung einer staatlichen Kraftwagenlinie auf dieser Strecke. Da die beteiligten Gemeinden das Geld zur Gründung der GmbH trotz aller Anstrengungen nicht aufbringen konnten, waren sie recht froh über diese Entwicklung.
So wurde die von Emil Hermann Nacke ins Leben gerufene Kraftwagenlinie Meißen-Niederau-Weinböhla-Brockwitz-Sörnewitz am 1. November 1913 staatlich. Die Königlich-Sächsischen Staatseisenbahnen übernahmen sie und setzen zunächst weiter Nacke-Busse ein. Am 4. November 1913 berichtete das Meißner Tageblatt über die gelungene Probefahrt mit zahlreichen Honoratioren von Regierung, Amtshauptmannschaft und von Stadt- und Landgemeinden: … Ferner begleitete Herr Nacke-Kötitz die Fahrt, die in einem der neuen eleganten Nacke-Wagen ausgeführt wurde, welche zunächst der Verbindung dienen werden. Der Oberbau dieser Wagen stammt aus der Sächsischen Waggonfabrik in Zwickau (Schumann) ... .
Nacke-Bus - wurde von der Staatseisenbahn ab November 1913 eingesetzt
Was Nacke vor 100 Jahren mit seinen eleganten Automobil-Omnibussen im Meißner Elbland auf den Weg brachte, setzt die Verkehrsgesellschaft Meißen mit ihrem Linienbusverkehr in einer langen Traditionslinie bis heute erfolgreich fort.
Petra Hamann, Stadtarchiv
Zum Weiterlesen empfohlen:
Das 2007 erschienene Buch "Emil Hermann Nacke. Sachsens erster Automobilbauer" befasst sich in zwei reich bebilderten Kapiteln mit Nackes Omnibus-Automobilen.